Aberglaube

Wie Menschen überall sind auch Japaner empfänglich für Aberglauben. In der Regel geht es immer um Abwenden von Unglück und Fördern von Glück. Sprachlicher Gleichklang mit Worten, die mit Unglück und Leid belastet sind, führt zu deren Vermeidung. Da die japanische Schrift ursprünglich aus China übernommen wurde und es im Chinesischen nur rund vierhundert unterschiedliche Silben gibt, die mittels der vier Tonzeichen zwar vervierfacht werden können, im Japanischen aber nicht auf diese Weise unterschieden werden, gibt es zahlreiche gleich klingende Worte, die aber ganz unterschiedliche Bedeutung haben. Am bekanntesten ist  shi = vier, das genau so klingt wie shi = Tod. Also gibt es in Hotels üblicherweise kein Stockwerk oder Zimmer, in dem 4 vorkommt. Dagegen spielt in Japan die 13 keine Rolle, es sei denn, man nimmt Rücksicht auf bei uns üblichen Aberglauben. Auf Entbindungsstationen gibt es garantiert kein Zimmer 43, das könnte shi-san gelesen werden und klingt damit wie shizan死産 = Todgeburt. Man schenkt logischerweise nie ein aus vier Dingen bestehendes Set, eher drei oder fünf, usw. Die Zahl 9 wird ku gelesen, so wie das Wort für Qualen, Folter. Kein Wunder, dass man keine Kämme (kushi) verschenkt, das klingt nämlich wie zwei „vorbelastete“ Zahlen: 9-4 = ku-shi.

Tabu ist für Japaner verständlicherweise vieles, was sie mit Tod in Verbindung bringen, was uns aber nicht weiter verwerflich vorkommen würde:  Essstäbchen senkrecht in die Reisschale stecken (so stellt man Opfer vor den Hausaltar für die verstorbenen Familienmitglieder, man nennt sie hotokebashi); Essen mit Stäbchen aufnehmen und an andere Stäbchen weiterreichen (so werden nach der Verbrennung die Knochenreste aus der Asche aufgenommen und weitergegeben); mit dem Kopf nach Norden schlafen (so bettet man die Toten). Wer an einer Trauerfeier teilnimmt, wirft hinterher etwas Salz zur Reinigung über sich. Und da gibt es eine instinktive Reaktion: fährt ein Leichenwagen vorbei, versteckt man den Daumen einer Hand: Daumen heißt oya-yubi, also Elternfinger, und man möchte damit quasi die Eltern vor dem vorzeitigen Tod schützen.

Manche Tabus reflektieren sinnvolles Verhalten und werden quasi zur Erziehung eingesetzt: man tritt nicht auf die Ränder von Tatamimatten, das bringe Unglück (erschließt sich nicht auf Anhieb, die Ränder der Matten sind jedoch deren empfindlichster Teil). Anstatt sich nach dem Essen hinzulegen, soll man sich bewegen, sonst wird man zur Kuh oder zum Schwein oder als solche wiedergeboren? Da gehen die Meinungen freilich auseinander, wenn man das bei uns gebräuchliche Sprichwort: „Nach dem Essen sollst Du ruhen oder…. bedenkt.
Zu Tieren gibt es manchen Aberglauben. Katzen gelten z.B. eher als Glücksbringer, denken wir an die Winkekatze maneki neko 招き猫, die Kunden ins Geschäft locken soll. Läuft einem eine schwarze Katze über den Weg, bringt das Glück, auch Spinnen am Morgen, das Gegenteil ist der Fall, wenn man sie am Abend sieht, dann sollte man sie töten. Das deutsche Sprichwort „Spinne am Morgen…“ bezieht sich jedoch auf die Tätigkeit des Spinnens. Raben gelten als Unglücksboten.

Zurück zu den Beiträgen