Olympia Tokyo 2020
Das hätten sich die Bewerber um die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokyo nicht träumen lassen, dass das Fest zur Präsentation eines modernen, umweltbewussten Japan zum Corona-Albtraum gerät. Die Menschen in Japan wollten die Spiele im Grunde nie. Nach der Mehrfachkatastrophe vom 3. März 2011 wurde die erfolgreiche Bewerbung von 2013 als Symbol der Wiederauferstehung (resurrection) gefeiert und fand damals allgemeine Zustimmung. Aber schon die Wahl des Zeitpunktes war ein Einknicken vor Wirtschaftsinteressen, weil sich das US-Fernsehen im günstigeren Herbst (wie bei Olympia 1964 in Tokyo) mehr für Baseball interessiert und so den Zeitpunkt der Sommerspiele diktierte. Der Sommer in Tokyo ist unangenehm heiß, ausgedehnter Starkregen kann nicht nur wie 2021 in der ersten Julihälfte über das Land herfallen sondern auch genau während der Spiele. Mit Taifunen muss man ebenfalls rechnen. Der Oktober wäre wie einst 1964 der weitaus geeignetere Monat gewesen. Damals nutzte Japan die Spiele, um der Welt das nach dem Krieg wiederaufgebaute, moderne Land zu präsentieren, das in wenigen Jahrzehnten zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht aufstieg.
2020 brauchte Tokyo die Spiele nicht. Der Untertitel „Resurrection Games“, gemünzt auf die von Erdbeben-cum-Tsunami-cum-Nuklearkatastrophe geschundene Region im Nordosten von Honshû hatte mit dieser überhaupt nichts zu tun und nützte ihr auch nicht. Ein paar Fußballspiele in Sendai waren mehr Augenwischerei als Beleg. In Tokyo wurde in Erwartung riesiger Touristenströme fleißig renoviert, neue Hotels entstanden, überall wurde renoviert. Nun waren Ausländer mit Ausnahme der Medien nicht zugelassen, ja nicht einmal einheimische Zuschauer. Dass die Spiele überhaupt stattfanden, hatte von japanischer Seite auch mit der Dauer-Rivalität mit China zu tun. Denen wollten sie nicht den Triumph gönnen, Olympische Spiele als erste während bzw. nach der Pandemie durchzuführen, und vielleicht noch wichtiger, vor der aus China stammenden Pandemie zu kapitulieren.
Aber auch fast ohne Zuschauer wurden die Spiele die medial am meisten verfolgten der Geschichte. Rund 3 Mrd. Zuschauer verfolgten sie im Fernsehen, digitale Plattformen verzeichneten das zehnfache an Videoaufrufen. Technische Neuerungen ermöglichten attraktive Einblicke in die Wettkämpfe. Der Run auf Tokyo und Japan setzte unmittelbar nach dem Ende der Pandemie ein und hält nach wie vor an. Und für Japan selbst zahlte sich Tokyo 2020 sportlich hervorragend aus. Im Medaillenspiegel lag Japan erstmals überhaupt am Ende auf dem 3. Rang nach der Zahl der Olympiasiege, nur die USA und China verbuchten mehr.
Die nächsten Sommerspiele 2024 in Paris dürften wohl wie geplant stattfinden, wie üblich ist die Angst vor terroristischen Anschlägen stärker als die vor einer neuen Pandemie.