
Schulsystem
Ab der Meiji-Ära orientierte sich Japan am deutschen Schulsystem, nach dem verlorenen 2.Weltkrieg wurde das amerikanische 6-3-3-4 System (s.u.) übernommen. Es gibt staatliche, städtische, private, freie und konfessionell-gebundene Erziehungseinrichtungen.
Vorschulsystem: Kinderkrippen (hoiku-en) nehmen Säuglinge ab 2 Monaten auf, Kindergärten (yôchi-en) Kleinkinder ab 3 Jahren; dort lernen sie u.a. die Silbenschrift hiragana und können damit bereits Kinderbücher lesen. Für die Aufnahme in prestigereiche Kindergärten gibt es bereits Aufnahmeprüfungen, dabei werden auch die Eltern beurteilt. Da Vorschule nicht der Schulpflicht unterliegt, sind Kinderkrippen und-gärten kostenpflichtig, dennoch werden sie von 90% der Kinder besucht.
Die Schulpflicht beträgt 9 Jahre und umfasst 6 Jahre Grund- (shogakko 小学校) ab 6 Jahren und 3 Jahre Mittelschule (中学校) ab 12 Jahren. Der Unterricht ist kostenfrei. 99% der Schulkinder besuchen eine öffentliche Grundschule. Auch Mittelschulen sind überwiegend öffentlich. Schuluniformen sind üblich und ersparen Eltern und Schüler*innen die Frage: „Was soll ich heute anziehen?!“ Jede Schule hat üblicherweise eigene Uniformen, manche haben mehr Prestige als andere, sodass nicht wenige Schüler auch in der Freizeit stolz ihre Uniform tragen. Sitzenbleiben ist in Japan nicht üblich. In Clubs nach dem Unterricht bzw. den Ferien gibt es notfalls Kurse zur Verbesserung der Leistungen in einzelnen Fächern. Es müssen etwa 2000 (sino-japanische Schriftzeichen) Kanji gelernt werden, dazu mehrere tausend Kombinationen von zwei und mehr Zeichen, ohne die man keine Zeitung lesen kann. Vorteil ist ein gutes visuelles Gedächtnis.
Schulfächer in der Grundschule sind Japanisch, Mathematik, Kalligrafie (→shodô), Sozialkunde, Geschichte, Naturwissenschaft, Geografie, Musik, Hauswirtschaft und Sport. In der Mittelschule kommen Englisch und Ethikunterricht hinzu (es gibt kein Fach Religion), interessanterweise auch Tanz, und zwar moderner Gruppentanz. Da viele Schüler heute eher bewegungsfaul sind und sich nur mit smart phone, Pad oder Laptop beschäftigen, dient Tanz als belebendes Element und Bewegungsförderung.
Oberschulen (kôtôgakkô 高等学校,abgekürzt: kôkô 高校) verlangen eine Aufnahmeprüfung und sind nicht mehr kostenfrei. Dennoch absolvieren 97% der Schüler die „senior high school“. Sie sind in gewisser Weise eine Vorbereitungsschule für das College oder die Universität. Der Anteil an privaten Oberschulen beträgt etwa 25%. Es gibt keine Abschlussprüfung, also auch kein Abitur. Dafür entscheidet der Erfolg in Aufnahmeprüfungen für Universitäten, an welcher Universität jemand studieren kann, und da gibt es gewaltige Unterschiede, weshalb man in Japan nicht fragt: „was hast Du studiert“, sondern: „wo hast du studiert?“
Unterricht:
Das Schuljahr beginnt wie das Geschäfts- und Finanzjahr am 1.April. Es besteht aus Trimestern mit 4 Wochen Sommer-, 2 Wochen Winter- (Jahresende/Neujahr) und 2 Wochen Frühjahrsferien (vor dem nächsten Schuljahr. Die Ferien sind einheitlich und nicht nach Präfekturen gestaffelt.
Unterricht ist an 5 Tagen von Montag bis Freitag, gelegentlich auch samstags, von 8.15 – 15.30 Uhr. Die ersten 15 Minuten sind für die wöchentliche Schulversammlung bzw. den „home room“ in der Klasse reserviert. Dieser dient dem Ansprechen von Problemen und anderen Angelegenheiten. Danach folgen die ersten vier Unterrichtseinheiten ab 8.30 Uhr zu 50 Minuten mit je 10 Minuten Pause. Mittag ist von 12.30-13.30. Dabei helfen sie Schüler beim Austeilen des Essens und Aufräumen. Die Klassenlehrer essen gemeinsam mit den Schülern. Die Mahlzeiten sollen gesund, nahr- und schmackhaft sein und werden von professionellem Personal zubereitet. Klassenräume und Flure werden von den Schüler*innen selbst gereinigt, das stärkt ein Gefühl der Zugehörigkeit, Loyalität und Kameradschaft.
Nach dem Unterricht, auch an Wochenenden und Feiertagen, gibt es unterschiedliche Angebote in Form von Clubs: z.B. Gitarre und andere Instrumente, Kunst, Kalligrafie (→shodô), Teezeremonie (→sadô), →Ikebana/Kadô, Theater, Chor, Bläserband (brass band), im Sport Baseball, Basketball, Fußball, →Judô, →Kendô, Leichtathletik, Schwimmen, Softball, Volleyball; es gibt auch Clubs zur Vertiefung von Schulfächern. Der Vorteil ist, dass Eltern sich nicht wie bei uns als gestresste Chauffeure der Kinder und Jugendlichen zu den verschiedenen Freizeitaktivitäten betätigen müssen und dass befreundete Klassenkamerad*innen gemeinsame Clubaktivitäten kostenlos mitmachen können.
Neben den Schulfächern wird in den ersten drei Schuljahren Wert auf Charakterbildung, gutes Benehmen Respekt für Mitmenschen und Natur gelegt. Damit übernehmen die Lehrer eindeutig Erziehungsaufgaben. Da es um das Kollektiv und nicht um Individualität geht, ist das auch im Sinne der Eltern.
Schulklassenreisen shûgakuryokô 修学旅行 sind Teil des Curriculums。Regelmäßig sind ganze Schulklassenstufen in Sonderzügen unterwegs. In den Klassen der Senior Highschool geht es – mit Ausnahme von Corona-Zeiten – in die Ferne, nach Europa, in die USA u.a.
Foto: Klassenausflug auf den Tsukuba-san, Präfektur Ibaraki: