
Yakuza ヤクザ (250 Jahre alte japanische Mafia)
Ya-ku-za = 8-9-3 ist die schlechtestmögliche Kombination in einem als kabufuda bekannten Kartenspiel, bedeutet also Verlierer, wertlose Mitglieder der Gesellschaft.
Das offiziell seit 1993 verbotene, aber nach wie vor sehr potente organisierte Verbrechen (Bōryokudan 暴力団) kontrolliert einen großen Teil des Immobilienmarktes, das Sexbusiness („mizu shôbai) und das Glücksspiel, einschließlich Pachinko. Die auch oft als „japanische Mafia“ bezeichneten Organisationen sollen für 40 % der „faulen Kredite“ der Banken verantwortlich sein, kontrollieren Wettsportarten wie Galopp-, Boots-, Keirin-Radrennen und erpressen Schutzgelder. Von alldem sind ausländische Touristen im Grunde nicht betroffen.
Über die Yakuza reden Japaner nicht viel, doch ihre Macht und ihr Einfluss sind noch allgegenwärtig. Nur noch knapp 20 000, nach anderen Angaben 50.000 Mitglieder, sind in rund 20 Banden (kumi/gumi 組) organisiert. Sie rekrutieren sich zu 60% aus den gesellschaftlich immer noch benachteiligten Nachfahren der Buraku-min (→Eta) und zu 30% aus der koreanischen Minderheit.
Die größten Gangs sind die Yamaguchi-gumi (Awaji, 5200 Mitglieder), gefolgt von Sumiyoshi-kai und Inagawa-kai (beide Tokyo, 3100 bzw. 2500 Mitglieder). Japans Verbrechersyndikate operieren heute weltweit. In Japan kontrollieren sie erwartungsgemäss Drogenhandel, Prostitution und Menschenhandel. In dieser Funktion sind sie z.B. auch auf den Philippinen, in Südkorea und in Thailand aktiv. Andere lukrative Erwerbszweige sind illegales Glücksspiel (damit begannen sie einst in der →Edo-Zeit), Profisport (z.B. keirin-Radsprints, Pferde- und Motorbootrennen) oder Pachinkohallen, eben alles, was mit Wetten zu tun hat. Überhaupt kontrollieren sie im Wesentlichen die gewaltige Unterhaltungsindustrie, zunehmend beeinflussen sie auch auch Finanzmärkte und betreiben politische Korruption.
Sie sind in Waffengeschäfte verwickelt und – wie erwähnt - im Drogenhandel aktiv. Darauf hat sich die Dôjin-kai (Kurume, Kyûshû) spezialisiert. Rund 500.000 Japaner sind süchtig nach dem Aufputschmittel Amphetamin und dem moderneren Methamphetamin (shabu), das aus Taiwan und Korea eingeführt wird, auch Kokain aus Südamerika hat dem Weg nach Japan gefunden.
Die Yakuza sorgen dafür, dass Aktionärsversammlungen glatt über die Bühne gehen. Am Baugeschäft sind sie stark beteiligt, und im Immobiliengeschäft beherrschen sie die Hälfte des Marktes. Das Kreditgeschäft wird aufgrund der japanischen Mentalität noch deutlicher von den Yakuza dominiert. Man leiht ungern von seiner Hausbank Geld, weil man nicht gern sein Gesicht verliert. Also zahlt man lieber 60% Zinsen und holt sich das Geld von den Gangstern.
Wer nicht zahlen kann und Immobilien hat, wird diese schnell an die Yakuza los. Soll ein Wohnblock luxussaniert werden oder einem lukrativeren Neubau weichen, vertreibt ein Feuer schon mal die Mieter. Feuer und Yakuza werden schicksalsergeben hingenommen. Doch meist werden die Bürger nicht direkt belästigt oder gefährdet. Tote gibt es fast nur bei den Bandenkämpfen um Marktanteile.
Wenn Japaner sich als eine große Familie empfinden, so erst recht die Yakuza-Mitglieder Das schließt Bruderkämpfe nicht aus. Absolute Treue und Gehorsam gelten gegenüber dem Boss (oyabun) einer Bande und dem eigenen Syndikat, zu dem weit über 100 Banden gehören können. Bei der Aufnahme in die streng hierarchisch gegliederte Gesellschaft schwören die Neuen: „Ich folge dir, Vater (Boss), durch Feuer und Flut, auch wenn meine leiblichen Eltern verhungern oder es mein eigenes Leben kostet.“ Sie morden auf Befehl und gehen für den Boss ins Gefängnis, im Durchschnitt zehn Jahre lang. Als Zeichen der Unterwerfung opfern sie ein Glied des kleinen Fingers (yubitsume), wenn Sie mal einen Fehler begangen haben. Doch sie fühlen sich geborgen in der straff organisierten Gemeinschaft, in der die japanischen Urtugenden: Pflichterfüllung (giri), Respekt (kei), Ergebenheit, Loyalität (chugi), Ausdauer (nin) und Wahrheit (shin) gelten. Diesen Tugenden verdanken die Yakuza nicht zuletzt, dass sie von der Bevölkerung geduldet werden, ja man hegt bisweilen romantische Gefühle für die Angehörigen dieser patriotischen „Subkultur“.
Yakuza fühlen sich als Hüter von Sitte und Anstand, Ordnung und Harmonie, Nationalismus und Kaiserverehrung. Folglich unterstehen Ihnen auch alle rechtsextremen Parteien und Gruppierungen. Deren Präsenz wird auch der kurzzeitige Tokyo-Besucher mehr als einmal erleben, wenn die Konvois grauer Busse und Lastwagen mit lauter Marschmusik und Parolen durch die Straßen fahren. Die meisten Japaner nehmen jedoch keine Notiz von ihnen. Die Aufmärsche sollen auch lediglich anzeigen: Wir sind da, allzeit bereit. Sollte jedoch irgendwann noch einmal der Militarismus in Japan die Oberhand gewinnen, werden ihm die Yakuza wohl sofort unbedingte Gefolgschaft leisten.
Die langjährige Regierungspartei LDP gilt als eng mit diesen Gruppen und den Yakuza im Allgemeinen verwoben. Hier ist insbesondere Shin Kanemaru zu nennen, einstiger Königsmacher in der Partei. Die LDP wurde durch die Yakuza ebenso korrumpiert wie durch die Industrie. Dieses für Japan charakteristische Machtkartell hat mit Sicherheit zum Erfolg des Wirtschaftsgiganten beigetragen, aber auch zu den Skandalen, die letztlich die LDP 1993 erstmals in die Opposition gezwungen haben.
Andererseits, so paradox es auch klingen mag, sorgt die Macht der Yakuza dafür, dass Kleinkriminalität sich in Grenzen hält, was die Polizei und die Bürger durchaus schätzen. Im Übrigen hält man jedoch lieber auf Distanz. Früher erkannte man die Yakuza oft an den amerikanischen Straßenkreuzern, heute sind es eher deutsche Nobelkarossen, hinter deren getönten Scheiben man auch Gangster vermuten darf und nicht bloß Freiberufler, wie es normalerweise der Fall ist.
Seit 1993 ist es schwieriger geworden für die Yakuza, die damals jährliche Einnahmen von 10 Milliarden US$ verzeichnen konnten. Jede Organisation, die einen bestimmten Prozentsatz an kriminellen Mitgliedern hat und Geld mit Gewalt eintreibt, gilt seither als kriminelle Vereinigung. Wer auf frischer Tat bei typischen Yakuza-Betätigungen ertappt wird, muss mit einem Jahr Gefängnis rechnen. Zehn Organisationen, die 70% aller Gangstersyndikate ausmachen, wurden bereits als boryokudan klassifiziert.
Nun wünsche sich viele Yakuza ihre kleinen Finger komplett und können ihre kunstvollen Tätowierungen nicht länger stolz präsentieren. Aber bisher kam es kaum zu Verhaftungen. Wer mit dem Gangsterleben aufhören will, kann mit staatlicher Hilfe und Arbeitsvermittlung rechnen. Aber es ist nie leicht, eine Bande zu verlassen, und der Druck von oben auf die Syndikate ist noch nicht stark genug. Aber immerhin, die frühere Selbstherrlichkeit ist vorbei, zumal die Banden Probleme haben, jungen Nachwuchs zu rekrutieren.
Da die Yakuza bisher von der Bevölkerung geduldet werden, ist deren Fortbestand jedoch kaum gefährdet. Immerhin bieten sie denen eine Chance zur beruflichen „Karriere“, die ansonsten nur wenige Möglichkeiten für sich sehen, beispielsweise jugendliche Straftäter, Arbeitslose, Angehörige benachteiligter Minderheiten. Immerhin liefern die Yakuza den Japanern etwas, was verboten ist aber wonach offensichtlich Bedarf besteht.